Mein glaeserner Bauch by Monika Hey

Mein glaeserner Bauch by Monika Hey

Author:Monika Hey [Hey, Monika]
Language: deu
Format: epub
ISBN: 9783421045386
Publisher: DVA Dt.Verlags-Anstalt
Published: 2012-09-01T22:00:00+00:00


Der Tropf mit der Wehen fördernden Infusion war längst durchgelaufen und der Infusionsschlauch entfernt worden, als ich spürte, dass mein Körper sich veränderte. Umschlungen standen Klaus und ich auf einem der hässlichen Klinikbalkone, der allenfalls für Raucher ein schönes Plätzchen sein konnte. Das ließ jedenfalls der überquellende Sanduhr-Ascher vermuten. Es war Samstagnachmittag. Der sechste Tag in der Frauenklinik.

Klaus schien erleichtert, dass ich ihn wegschickte, als die Schmerzen einsetzten. Er war morgens gekommen und inzwischen schon wieder viele Stunden bei mir gewesen. Die seelische Strapaze war für ihn kaum geringer als für mich.

Ich versprach, ihn anzurufen, wenn ich ihn brauchte. Wollte ihm nicht zumuten, tatenlos neben mir ausharren zu müssen, wenn die Wehen stärker wurden. Er litt auch so schon genug. Was auch immer geschah, wie sollte er mir dabei helfen?

Dies war keine Geburt, auf die wir uns hätten vorbereiten können. Es war eine Geburt zur Unzeit, ohne Kurs im Geburtshaus, ohne Hebamme, ohne warme Wanne, ohne Kreißsaal. Ich wusste nur, wie schlimm sich Menstruationsschmerzen früher manchmal angefühlt hatten. Erinnerte mich an raunende Warnungen: So ist das auch, wenn man Kinder kriegt.

In Träumen hatte ich bereits mehrmals in meinem Leben ein Kind zur Welt gebracht. Sehr konkret, zwischen meinen Beinen hervor. Aber schmerzlos. Meistens konnte das Neugeborene in meinem Traum gleich sprechen. Und immer war es ein bewegendes, glückliches Erlebnis. Nichts hatte mich vorbereitet auf das, was mir jetzt bevorstand.

Ich lag allein in meinem Zimmer und wand mich vor Schmerzen hin und her. Zog die Beine an, und umschlang sie mit meinen Armen. Lief weinend im Zimmer auf und ab. Kroch auf allen vieren über die Matratze. Lag auf den Knien im Bett und weinte laut ins Kissen. Oh Gott, es tut so weh! Ich krümmte mich vor Schmerzen. Hörte mich stöhnen. Und das war erst der Anfang. Die Geburt hatte begonnen. Und ich war ganz allein.

Die Krankenschwester gab mir Schmerztabletten, als ich sie rief, aber ich spürte keine lindernde Wirkung mehr. Und war abgrundtief verzweifelt. Als ich das nächste Mal nach ihr klingelte, tränenüberströmt, spritzte sie etwas durch die Kanüle in meinem linken Handrücken, an die vorher der Tropf angeschlossen gewesen war.

»Ich darf das eigentlich nicht«, murmelte sie.

Abrupt wichen die Schmerzen einer tiefen Müdigkeit. Viel zu schnell, um auch nur zu ahnen, dass ich »weggeschossen« wurde, wie mein Freund, der Anästhesist, gesagt hätte.

Sister Morphine.

Die Schwester hatte Mitleid mit mir.

wo woher kommt das rasseln telefon leise ganz nah meine hand mein arm wo was ist mit meinem arm mein kopf alles weit weg watte wattig gefangen in diesem fremden körper riesig groß hallig wattig dumpf die welt weit weg wo das telefon meine hand ich kann nicht warte hallo ja ich kann nicht ja meine zunge geschwollen schwer im mund ich lalle meine hand albtraum riesig aufgeblasen alles weit weg ich möchte wach werden eine Blase zwischen meinen Beinen, mein Kopf sucht drogenschwer nach einer Erklärung, und ich beginne mit meiner rechten Hand zwischen den Beinen zu begreifen, was mit mir geschieht. Ohnmächtig. Erschüttert. Allein.

Halb wach klingele ich nach der Schwester.

»Ist es so weit? Moment, ich rufe die Ärztin.



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